Auf Elefanten durch Thailand - FÜR SIE
Seit Thailands Elefanten als Arbeitstiere kaum noch gebraucht werden, ist ihre Population dramatisch geschrumpft. Ein Deutscher versucht nun, die grauen Riesen zu retten – mit einem Trekking-Projekt
Umzingelt von Beinen, dick wie Baumstämme, sitzen wir eng aneinander gedrängt auf dem Boden. Ohren, groß wie Handtücher, fächern uns Wind zu – eine Wohltat in der Hitze. Sand rieselt aus den tiefen Falten der Elefantenhaut auf uns herab, Rüssel schlenkern hin und her, schnuppern mit ihren rosa Spitzen an unseren Ohren und betasten unsere Dekolletés. Kein Deo, das ist die Regel hier, Elefanten mögen das nicht.
Sie ist ein fremdes Kennenlern-Ritual, die Vertrauensprobe am ersten Tag im Elefantencamp. Und eine Mutprobe, denn mulmig wird mir schon, als ein Dickhäuterfuß direkt neben meinem aufstampft. Nicht nur er hat Dimensionen, die mir neu sind: Mae Kham Noi, meine Elefantenkuh, wiegt zweieinhalb Tonnen, ist 18 Jahre alt und aus der Form geraten, weil seit einem Jahr trächtig. Unter Wimpern wie Schrubberborsten guckt sie mich aus treuen Augen an.
Bodo Förster hat sie für mich ausgesucht. Er ist der Chef des Camps in Mae Sapok, rund eine Autostunde entfernt von Chiang Mai, größte Stadt im Norden Thailands. Ich soll mich mit Mae vertraut machen, sagt er, ihr etwas in das riesige Ohr flüstern – nur was? Tilli, Praktikantin im Camp und erfahrener als ich, sagt: „Ich hab mit meiner über Autos geredet.“ Hauptsache, Mae gewöhnt sich an meine Stimme. Und an mich. Denn schon das Aufsteigen würde schmerzhaft für mich enden, wenn sie nur mit dem Kopf wackelte. Tut sie aber nicht, sie geht auf die Knie und senkt ihr Haupt, sodass ich mit einem Bocksprung auf ihrer Stirn lande. Dann hebt sie den Kopf, und Bodo Förster schiebt meinen Po in Position.
Bodo Förster, 48, aus Thüringen hat das Camp vor zehn Jahren gegründet. Er ist ein wuchtiger Mann mit langem Zopf und durchdringender Stimme. „IHR müsst die Kommandos geben! IHR seid sechs Tage unterwegs mit den Elefanten. Mann, wir sind doch nicht im Karnickelzuchtverein!“ Nach der Ansage geht es los, auf einen 150 Kilometer langen Weg durch Dschungel und Nebelwald um den Doi Inthanon, den mit 2565 Metern höchsten Berg Thailands. Aus acht Elefanten besteht unsere Karawane, aus Bodo Förster, den 14 Mahouts, so heißen die Elefantenführer, und außer mir noch fünf Reisenden.
Unterwegs auf grauen Riesen
Die grauen Riesen wuchten sich langsam in Gang, es schaukelt wie auf einem Boot bei Seegang, in einem gleich bleibenden, wogenden Rhythmus. Ich rutsche hin und her auf Mae Kham Nois borstiger Haut, habe den Trick aber bald heraus, schaukle nur noch in den Hüften mit, sitze ansonsten gemütlich auf Maes breitem Nacken. Gelegentlich wischt mir eine Dschungelpflanze ins Gesicht und weckt mich aus meiner eingeschaukelten Trägheit.
Ein Ruck, Mae Kham Noi steht. Sie hat leckeres Grünzeug entdeckt, stopft es sich in dicken Blätterbündeln ins Maul, kaut seelenruhig. „Kwä!“, zurück!, rufe ich. „Kwäääää! Kwäääää!“ Null Reaktion, als habe sie meine Stimme noch nie gehört. Mit unserer Verständigung klappt es noch nicht, bleiben mir nur meine Füße, ein Stock und ein Haken, mit dem ich ihr leicht an den Ohren ziehen kann. Da ist die Elefantenhaut empfindlicher als an den Seiten, wo meine Füße vergebens versuchen zu drücken. Sie bleibt stur, und ich weiß, das kann dauern, denn Elefanten sind Dauerfresser. Ihr Riesenkörper braucht am Tag rund 200 Kilo Blätterzeug. Und dazu etwa 100 Liter Wasser. Irgendwann ist sie dann doch gnädig, stampft wieder los, schlendert zentimetergenau auf schmalem Pfad einen Abhang aus Geröll entlang und kaut währenddessen weiter an einem mitgeschleiften Ast.
Es ist Nachmittag, als wir an der Raststelle ankommen. „Cheló!“, Kopf runter! Mae geht in die Knie, ich rutsche über ihren Rüssel zu Boden. Die Mahouts laden das Gepäck ab, dann dürfen die Tiere in den Wald, weitermampfen. Wir stellen die Zelte auf, dann gibt es auch für uns Essen. Als es dunkel ist, sitzen wir ums Lagerfeuer und trinken „Happy Water“, thailändischen Reisschnaps. Wir sind eine gemischte Truppe, aber eines eint uns: dass wir Elefanten nicht nur beobachten, sondern kennenlernen wollen. Michelle, eine meiner Mitreisenden, ist so fasziniert, dass sie zum zweiten Mal hier ist – obwohl sie gerade ihren Job verloren hat. Uschi träumt seit ihrer Kindheit von den grauen Riesen. Jetzt ist sie 56, „und es wird Zeit, Träume zu realisieren“. Ihr Freund Günther musste mit und sitzt tapfer lächelnd im schwankenden Sitzkorb.
Geduscht wird aus dem Rüssel
Bodo Förster wurde zu DDR-Zeiten als Pfleger in einem Ostberliner Zoo zum Elefantennarr. Als die Mauer fiel, reiste er nach Thailand, um bei den Mahouts zu lernen. Etwa zur gleichen Zeit erließ Thailands Regierung ein Holzfällverbot, weil der Waldbestand dramatisch zurückgegangen war. Und mit ihm die Elefantenpopulation. Vor hundert Jahren lebten noch rund 100 000 Dickhäuter in Thailand, heute sind es keine 5000, davon nur knapp 2000 in freier Wildbahn. Bodo Förster sieht sein Camp im Norden Thailands als Beitrag zum Tierschutz. „Wer weiß, ob meine Enkel noch Elefanten in der Natur erleben“, sagt er. Zumindest die domestizierten Tiere der Holzfäller standen früher unter einem gewissen Schutz vor Jägern. „Nun sind Touristen die einzige Rettung für asiatische Elefanten“, sagt Bodo Förster.
Bei ihm im Camp hat es schon Nachwuchs gegeben, ein Baby ist auf unserer Tour dabei – die Karawane stockt, wenn es bei Mama Milch saugen will. Glück, wer dann nicht mit einer Riesenspinne auf Augenhöhe verharren muss. Das hier ist ein Abenteuer. Aufgestanden wird im Morgengrauen, Aufbruch ist gegen sieben Uhr, dann sind wir rund zehn Stunden unterwegs. Wir kommen an Teefeldern vorbei, die Bauern rund um den Doi Inthanon anlegten. In höheren Lagen gibt es nicht nur Regen-, sondern auch Kiefernwald. Geduscht wird mehrmals täglich – direkt aus dem Rüssel, inklusive Staub. Gebadet wird in Flüssen. Noch nachts im Schlafsack schwankt der Boden wie nach einem Segeltörn.
Gegen Ende der Tour muss ich mich nur noch an Maes Ohren festhalten, wenn dornige Äste mir entgegenschwingen. Ab und an ein Quietschen, das kommt vom Elefantenbaby, gelegentlich ein sattes Bollern wie von einem Porsche beim Anlassen, dann pupst einer der Elefanten. Und manchmal ertönt ein vibrierendes Brummen aus dem Leib von Mae Kham Noi, das nur ich hören kann. Und fühlen. Was genau es bedeutet, weiß ich nicht, nur dass mir diese Geräusche nach sechs Tagen unter Dickhäutern zu Hause sicher fehlen werden.